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Schlechte Lehre, harte Zeiten – für den Feminismus streiten!

Beschluss der 45. Bundesmitgliederversammlung im Mai 2022 in Köln


Das Leben von Studierenden spielt sich zu einem Großteil an der Hochschule ab - und das häufig in patriarchalen, männlich dominierten und überholten Machtstrukturen. Als Campusgrün Bundesverband kritisieren wir die eklatanten Mängel in der Lehre an deutschen Hochschulen, die sich gerade im Blick auf Aspekte der Geschlechtergerechtigkeit zeigen. Auch auf die Lehre wirkt sich dies unmittelbar aus und Strukturen werden reproduziert, wenn nicht gar verfestigt. Daran müssen wir ansetzen und Hochschulen zu einem Ort machen, an dem feministische Wissenschaftspolitik großgeschrieben wird. Also: Schlechte Lehre, harte Zeiten - für den Feminismus streiten!

Feminismus in der Lehre

Hochschulen sind vor allem eines: Ein Ort der gemeinsamen Produktion von Erkenntnissen durch alle Beteiligten. Es ist daher unerlässlich, dass Feminismus eine zentrale Rolle in der Lehre spielt. Dazu müssen Geschlechterfragen nicht nur in wenigen Studiengängen wie den Gender Studies thematisiert werden, sondern in jede Hochschulbildung integriert werden. In allen Fächern müssen feministische Perspektiven mit einbezogen werden, da die Diskriminierung und Benachteiligung von Frauen, inter*, nicht-binären, trans* und agender Personen in jedem Lebens- und Gesellschaftsbereich verankert ist. Um diese Diskriminierung langfristig zu bekämpfen, müssen insbesondere Lehramtsstudierende für diese Themen sensibilisiert werden. Nur so können feministische Perspektiven an jüngere Generationen weitergegeben werden. Aber auch das aktuelle Lehrpersonal an Hochschulen muss zu diesen Themen ausgebildet werden: Sie müssen lernen, ihre eigenen Rollenbilder zu hinterfragen und auch, wie sie sexistische oder gar gewalttätige Vorfälle verhindern oder, sollte es dafür bereits zu spät sein, wie sie damit umgehen können, ohne weiteren Schaden anzurichten. Sexistische Rollenbilder spielen allzu oft in von Dozierenden präsentierten Beispielen eine Rolle. So beispielsweise im Jura-Studium: Seit Jahren werden sexistische Beispielsfälle bemängelt, an der Ausbildung selbst hat sich seitdem jedoch nur wenig verändert. Welch drastische Folgen diese Ignoranz gegenüber FINTA* Personen haben kann, wird im medizinischen Bereich deutlich. Im Lehrplan des Medizinstudiums spielen beispielsweise Schwangerschaftsabbrüche grundsätzlich keine Rolle und Medizin an Körpern, welche bei der Geburt nicht eindeutig dem männlichen Geschlecht zugeordnet werden, liegt Jahre hinterher. Das führt dazu, dass Ärzt*innen falsche Diagnosen stellen, da sie über die unterschiedlich auftretenden Symptome nicht informiert sind. Gleichzeitig werden Medikamente auch auf cis Männer zugeschnitten, was alle anderen Personen enorm benachteiligt und auch gefährdet. Der Mangel an Aufklärung über nicht-cis männliche Körper führt auch für inter* Personen zu großen Problemen. Oftmals weisen Ärzt*innen diesen bei der Geburt fälschlicherweise ein willkürlich gewähltes binäres Geschlecht zu, welches nicht einmal ihren Geschlechtsorganen entspricht. Aus Überforderung werden dann bei den Kindern in jüngstem Alter Operationen durchgeführt, die sie eindeutig einem binären Geschlecht zuordnen sollen. Da dies oft im Un- oder Halbwissen der Eltern geschieht und ein kleines Kind dem nicht zustimmen kann, handelt es sich um eine überaus übergriffige Praxis. Es zeigt sich also, welche Folgen die Vernachlässigung von feministischen Perspektiven haben kann.

Parität

Dieser Mangel kann einerseits durch die Sensibilisierung der Dozierenden angegangen werden. Ein großes Problem ist aber auch, dass weitestgehend cis Männer in Spitzenpositionen vertreten sind und dort eben auch vorwiegend cis männliche Themen durchsetzen können. Diese strategischen und machtvollen Positionen müssen also diverser und paritätisch besetzt werden.

Bei der Besetzung von Professuren ist dieser Gedanke teilweise bereits angekommen - dank Studierendenvertreter*innen in den Auswahlgremien, die immer wieder unermüdlich darauf hinweisen müssen, dass es wichtig wäre, auch FINTA*- Professor*innen zu haben. Aktuell ist im akademischen Bereich eine sogenannte leaky Pipeline zu konstatieren. Dieser Begriff bezeichnet das Phänomen, dass zu Studienbeginn das Geschlechterverhältnis im Groben ausgeglichen ist, auf dem Weg in Spitzenpositionen aber immer mehr FINTA* Personen auf der akademischen Karriereleiter nicht weiter aufsteigen, sondern “verloren” gehen. Hierfür gibt es mehrere Ursachen: Cis Männer in Führungspositionen tendieren - ob bewusst oder unbewusst - dazu, eher andere cis Männer in ihre Reihen aufzunehmen als Menschen anderer Geschlechter. Um dem entgegenzuwirken, ist die Einführung von Quoten sinnvoll, welche sicherstellen, dass eben kein cis Mann eine Position wegen seines Geschlechts bekommt, sondern auch andere qualifizierte Personen eine Chance darauf haben. Doch allein durch Quoten kann das Problem nicht gelöst werden: FINTA* Personen müssen ermutigt werden, sich zu bewerben, ihr Wert muss ihnen aufgezeigt werden und sie müssen dazu befähigt werden, sich in einer (noch) cis männlich dominierten Berufswelt durchzusetzen. Doch ihnen werden auch noch andere Steine in den Weg gelegt: Durch gesellschaftlich fest verankerte Rollenbilder übernehmen viele FINTA* Personen den größten Anteil an Sorgearbeit in der Familie. Während das Hauptziel natürlich sein muss, diese Rollenbilder zu hinterfragen und hinter uns zu lassen, kann man keinem Menschen zumuten, zwischen Karriere und Familie wählen zu müssen - jede Person muss, wenn ihr das wichtig ist, genug Zeit mit ihren Kindern verbringen können. Daher ist es unerlässlich, vollumfängliche Kinderbetreuung anzubieten und auch Optionen bereitzuhalten, falls Personen in Teilzeit arbeiten möchten. Davon profitieren alle Menschen, die Sorgearbeit übernehmen. Wie bereits beschrieben, sind das aktuell insbesondere FINTA* Personen, was die Frage von Vereinbarkeit von Familie und Beruf auch zu einer feministischen macht.

Der Mangel an Diversität unter Lehrenden führt - neben den fehlenden verschiedenen Perspektiven - zu unfairen Bewertungen. Vielfach berichten FINTA* Personen aus Prüfungssituationen mit einer cis männlich geprägten Prüfungskommission, welche sie aufgrund ihres Geschlechts lächerlich machte oder ihnen schlechtere Noten gab. Dieses Problem besteht insbesondere bei mündlichen Prüfungen, welche nicht anonym durchgeführt werden können.

Universitäre Strukturen

Doch auch außerhalb der Lehre befinden sich meist cis männliche Personen in Machtpositionen, in denen sie für die Koordinierung der Forschungsarbeit zuständig sind. Dadurch ist die Forschung selbst in den seltensten Fällen geschlechtergerecht oder feministisch.

Auch in Hochschulgremien, beispielsweise dem Senat sieht es mit der Parität schlecht aus - eigentlich achten nur die Studierenden - wenn überhaupt - auf eine paritätische Besetzung der ihnen zur Verfügung stehenden Plätze in den Hochschulgremien. Da diese Plätze in der Regel allerdings eine Minderheit in den Gremien darstellen, ist dies nur ein Tropfen auf dem heißen Stein. So werden bestehende Machtstrukturen zwischen der Gruppe der Professor*innen und der Gruppe der Studierenden verstärkt, da FINTA* Personen durch oft alte weiße cis Männer einfach nicht ernst genommen werden. In diesen Gremien werden zentrale Fragen der Hochschulgemeinschaft besprochen und wichtige Entscheidungen getroffen - von cis Männern, die oftmals in ihrem eigenen Interesse handeln.

Wir fordern daher:

  • Wissenschaft und deren Inhalte müssen feministisch gedacht und betrieben werden. Es kann nicht sein, dass Forschung und damit letztlich auch Lehre auf cis männliche Verhalten, Interessen und Körper ausgerichtet ist!

  • Feminismus raus aus der Nische - in jedem Studiengang müssen feministische Perspektiven eingenommen und vermittelt werden!

  • Her mit Quoten für wissenschaftliche Positionen und Gremien an Hochschulen - wir brauchen mehr FINTA*-Personen auch im oberen Bereich der Karriereleiter sowie in den entscheidenden Gremien!

  • Die Privilegierung von cis männlichen Personen für Hochschulzugang und Bewerbungschancen für wissenschaftliche Jobs muss zugunsten von FINTA*- Personen verschoben werden - sei es durch das Angebot von Kinderbetreuung oder Arbeit und Studium in Teilzeit zu ermöglichen!

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